9/25/2011

realise.

Die noch warmen Spätsommerstrahlen kitzelten auf ihrer Nase, während sie ihren Kopf senkte, um immer und immer wieder dieses eine, bereits zerknickte und ramponierte Foto anzuschauen. Aber nein, sie schaute es nicht nur an, sie studierte es bis ins kleinste Detail, sie drehte und wendete es, hielt es ganz nah ans Gesicht, sodass ihre Blick verschwamm, streckte ihren Arm ganz weit aus und hielt es von sich weg, streichelte und küsste es, fuhr immer wieder mit ihren Fingerkuppen über's Papier und ihre Bewegungen waren voll Hoffnung.
Langsam hob sie ihren Kopf,und blickte in eine Welt, die so ganz und gar nicht real zu sein schien, denn war diese Schönheit,diese Vielfalt überhaupt verdient?!
Es war fast so als warte sie darauf ,dass es endlich kälter würde, denn es verging Moment um Moment, Stunde um Stunde ehe sie sich endlich von der kleinen alten Holzbank erhob.
Trotz der beginnenden Dämmerung und der Stille, die sich nun über das Tal legte, war es noch angenehm warm und so beschloss sie, noch ein Stück weiter zu gehen, ein Stück weiter weg von dem Ort, über den sie eigentlich das Vergessen legen wollte.
Während sie schnell aber bedacht ihre Schritte in den Wald richtete, spürte sie noch förmlich das Foto in ihrer Hosentasche knistern, fast so als wollte es sie ermutigen, stehen zu bleiben und wieder umzukehren.
Doch einmal, dieses eine Mal wollte sie weitergehen, wollte eben nicht wieder stehen bleiben.
Das Problem war bloß, oder nein eher die Chance war, dass sie nicht wusste wohin sie denn überhaupt ging.
Nach einer Stunde dann schließlich, in der es plötzlich auch beängstigend kühl geworden war, hatte sie völlig die Orientierung verloren.
Wo sie sich auch umblickte, Dunkelheit und unbekannte, nur schemenhafte Umrisse schlugen ihr ins Gesicht, als wollten sie sie bestrafen für das, was sie gerade getan hatte, nämlich wegzulaufen ohne sich umzudrehen und vorallem ohne auf sämtliche Zeichen zu achten.
Und so zog sie das Foto aus der Tasche, holte ihr Handy raus, das hier zwar völlig sinnlos war, da man einem solchen Ort natürlich null Empfang hatte, aber das ihr wenigstens eines gab: Licht. Und so betrachete sie das Foto wieder. Aber dieses Mal, genau dieses eine Mal, entdeckte sie etwas neues, das sie vorher in all dem Licht, in all dem Glück, in all dem Analysieren und Perfektionieren nicht entdeckt hatte.
Das Foto zeigte einen jungen Mann.
Seine Umrisse waren ihr mehr als vertraut, sie kannte sie inzwischen so gut, dass es richtig wehtat, ihn zu vermissen. Gern erinnerte sie sich an den Moment, in dem das Foto entstanden war, sie hatte einfach nur die Kamera genommen und ihn fotografiert, dass sie etwas hatte, dass sie zeigen konnte, mit dem sie beweisen konnte. Sein Blick war ganz fest gewesen, er erinnerte an den Blick den man auf Passbildern haben muss.
Die Augen waren klar und aufmerksam nach vorn gerichtet und der Mund bildete eine undurchdringliche Mauer aus Bewusstsein. Nie hatte sie seine Schönheit geleugnet.
Doch dieses eine Mal war etwas anders. In seinen Augen, da war ein Glanz, ein Funkeln, das nur für sie bestimmt zu sein schien. Im dunkelsten, hoffnungslosesten Moment hatte sie erkannt, dass sie durch das Foto nicht nur eine Situation eingefangen hatte, sondern auch eine unwiderrufliche Wahrheit und Gewissheit, geliebt zu werden und zu leben, so richtig zu leben, dass sie plötzlich gar keine Angst mehr hatte, allein und verloren zu sein.
Und wäre sie erforen, immer noch hätte sie die Gewissheit gehabt.
Und so schaute sie das Foto an, schloss die Augen und zeriss es in viele viele kleine Teile.
Denn sie hatte nun erkannt, dass ihr dieses Gefühl für immer reichen würde um aus den dunklen Momenten des Lebens auszubrechen.

PS:Ich liebe.

Komplett und nur und 100%ig von mir!

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